Sozialplan für Merziger Fliesen-Zukunft

Die Verhandlungen waren hart, kontrovers und konnten dennoch stets in einem konstruktiven und respektvollen Gesprächsklima stattfinden.
Dr. Jörg Schwall, Geschäftsführer der V&B Fliesen GmbH

23.08.2022
Knapp zwei Monate, nachdem der Merziger Fliesenhersteller V&B Fliesen GmbH die Schließung des deutschen Standortes bekannt gegeben hatte (SKS berichtete in Ausgabe 4.2022), meldet das Unternehmen erste Fortschritte bei der Abwicklung. Danach wurde am 22. August 2022 die Belegschaft im Rahmen einer Betriebsversammlung über die erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen zu einem Sozialplan informiert.

Wie es in einer Presseerklärung heißt, hätten sich Betriebsrat, die Gewerkschaft IGBCE und die Geschäftsführung der V&B Fliesen GmbH auf einen umfassenden Sozialplan geeinigt. Danach soll den rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der geplanten Verlagerung der Fliesenproduktion in das Stammwerk des türkischen Mutterkonzern nahe Istanbul betroffen sind, ein „breites Maßnahmenpaket“ angeboten werden.

Dazu gehört die Möglichkeit, sich bis zu 12 Monate lang in einer eigens eingerichteten Transfergesellschaft weiter zu qualifizieren. Außerdem will man sie aktiv bei der Vermittlung in ein neues Arbeitsverhältnis begleiten. Dies scheint dank einer Initiative von Marcus Hoffeld, Bürgermeister der Stadt Merzig, durchaus aussichtsreich. Er hatte nach Ankündigung der Werksschließung Unternehmen in der Stadt und der Region aufgerufen, ihren Bedarf an Fachkräften zu melden. Inzwischen konnte er der V&B Fliesen GmbH eine Liste mit 280 offenen Stellen überreichen. Die gewerblichen Auszubildenden sollen von der Villeroy & Boch AG übernommen werden.

Bürgermeister der Stadt Merzig, Marcus Hoffeld, hat eine Liste mit 280 offenen Stellen in der Region überreicht.

Im Gegensatz zur Produktion würde der Verwaltungsbereich der V&B Fliesen GmbH von der Restrukturierung ausgenommen, so die Pläne des türkischen Multikonzerns Eczacıbaşı. So bleiben unter anderem die Abteilungen Marketing und Vertrieb am Standort Merzig. Sie und die übrige Administration werde Anfang 2023 in das derzeit in Bau befindlichen Gebäude „Neue Mitte Merzig“ umziehen, wo im Erdgeschoss des Neubaus ein Showroom für die aktuellen Fliesenserien des türkischen Herstellers eingerichtet werden soll. Insofern bleibt den Merzigern das Trostpflaster, dass die langjährige Tradition der keramischen Fliesenwelt nicht vollständig aus dem Stadtbild verschwindet.

Sitz des im Jahre 1942 von Nejat Ferit Eczacıbaşı gegründeten Unternehmens ist Istanbul. Neben Arzneimitteln und Körperpflegemitteln gehört Baukeramik zu den wichtigsten Standbeinen. Neben den jetzt aufgegebenen deutschen Standorten in Merzig und Neuwied (bis 2019) produziert der Konzern in Tuzla (Istanbul), Gebze (Kocaeli), Serpukhov (Russland) und im türkischen Bozüyük (Bilecik), dem größten Standort. Hier werden nach Angaben des Unternehmnens jährlich 5 Mio. Sanitärkeramiken, 3 Mio. Armaturen, 2,5 Mio. Badaccessoires sowie 20,1 Mio. Quadratmeter Fliesen hergestellt. 1977 errichtet und 1995 vollständig überholt, ist dieser Megakomplex im Hinblick auf Kapazität, Technologie und Qualität eine der Top-Produktionsstätten für Sanitärkeramik. Die Fliesenfabrik in Bozüyük stellt Wand- und Bodenfliesen, Porzellanbodenfliesen, Schwimmbeckenprodukte sowie Zusatzteile her, während eine angrenzende Fabrik Badaccessoires, Duschsysteme und Armaturen produziert.

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